Wer dumm ist, zeigt sogleich, dass er sich über etwas ärgert; klug ist, wer Schimpfworte einsteckt.
„Ey Digga, du checkst Englisch wohl nicht, oder?“ „Glaubst du vielleicht! Ich hab‘ gelernt!“ Wie junge Menschen miteinander sprechen, bringt Ältere, die es zufällig hören, zum Staunen. Wie können die nur! So redet doch keiner mit dem anderen! Wir sind doch eine christliche Schule!
Dass „Digga“ nichts mit dem Körpergewicht einer Person zu tun hat, sondern eine nette Ansprache für einen Kumpel oder Freund ist, können Insider nachvollziehen und darüber lachen. Wenn es ein Spaß ist, den beide als solchen verstehen. Wie dem auch sei: Es ist oft spannend, wer was zu wem und warum sagt. Nicht nur in der St. Mauritius-Sekundarschule.
Wer dumm ist, zeigt sogleich, dass er sich über etwas ärgert; klug ist, wer Schimpfworte einsteckt.
Seit Menschen miteinander sprechen, suchen sie nach Wegen, einander zu verstehen. Oder eben auch nicht. In einer Schule ist das nicht anders als außerhalb. Wenn einer nicht die Sprache des anderen spricht, ist eine gute Kommunikation nicht möglich. Falls sich ihr oder ihm nicht erschließt, was die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner eigentlich sagen will, kommen beide nicht zusammen. Doch wer jedes Wort auf die Goldwaage legt und meint, sich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit rechtfertigen oder gar verteidigen zu müssen, braucht sich nicht zu wundern. Darüber, dass manche ihn schräg anschauen, weil sie ihn nicht wirklich verstanden haben. Dumm gelaufen!
Wer auf alles und jedes eine Antwort hat, kommt nicht immer damit an. Egal, ob Schüler, Lehrer oder Schulseelsorger. Wer glaubt, andere permanent beeindrucken oder verbal in die Tasche stecken zu müssen durch gescheite Bemerkungen, kann früher oder später damit rechnen: So tituliert zu werden - offen oder versteckt -, wie es auf der Spruchkarte steht: „Klugscheißer.“ Ein Kompliment ist das nicht. Eher dumm. Oder doch nicht?
Wer dumm ist, zeigt sogleich, dass er sich über etwas ärgert; klug ist, wer Schimpfworte einsteckt.
Immer wieder sprechen Menschen nicht miteinander. Sie reden - auch in Abwesenheit - übereinander. Oder aneinander vorbei. Weil sie Dinge nicht direkt beim Namen nennen. Sondern meinen, dass es besser ist, manches verklausuliert an ihr Gegenüber zu bringen. Man(n) (Frau auch) will ja nichts falsch machen im unpassenden Moment. Kindern und Jugendlichen geht es ähnlich. Und jetzt?
Wer dumm ist, zeigt sogleich, dass er sich über etwas ärgert; klug ist, wer Schimpfworte einsteckt.
Dieser Satz findet sich in der Bibel im Buch der Sprichwörter bei Spr. 12, 12. Er spricht mich an. Bedeutet er, dass ich mir alles und jedes anhöre? Mich nicht wehre, wenn andere sich mir gegenüber im Ton vergreifen? Mir verbal Dinge ins Gesicht werfen, auf die ich gut hätte verzichten können? Auch bei mir gibt es Sachen und Begebenheiten, über die ich mich ärgere. Das ist nicht dumm. Wie ich mit diesem, meinen Ärger umgehe, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich lasse mir nicht alles gefallen. Aber auch nicht jede Gefühlsregung anmerken. Und jetzt?
Wer dumm ist, zeigt sogleich, dass er sich über etwas ärgert; klug ist, wer Schimpfworte einsteckt.
Reden ist Silber – und Schweigen manchmal Gold. Weil ich nicht auf den Zug aufspringe, in dem mein Gegenüber mich gern hätte. Weil ich mich durch unqualifizierte, falsche, unzutreffende Äußerungen nicht provozieren lasse. Weil ich nicht zu jedem und allem etwas sagen muss.
Auf für mich bemerkenswerte Weise hat es Martin Luther auf den Punkt gebracht. Auch, wenn es nicht alles besser weiß, sagt er über den rechten Prediger in seiner Auslegung über die „Bergpredigt“ Jesu (vgl. Mt. 5, 1 – 7, 29): „Tritt fest auf! Mach‘s Maul auf! Hör bald auf!“ Mach ich auch. Jetzt. Weil ich kein Klugscheißer bin. Sondern Schulseelsorger.
Br. Clemens Wagner ofm