23. Juni 2024

Zeit für Ruhe

So leer. So still. So ruhig. Und das in der Schule! Hat das einen Grund?

Titelbild für Beitrag: Zeit für Ruhe

Ein Klassenraum in der SMS vor den Ferien.

„Zeit für Ruhe, Zeit für Stille, Atem holen und nicht hetzen … lass uns auf die Stille hören.“

Es ist schon eine ganze Weile her, dass Gerhard Krombusch diese Zeilen schrieb, die Ludger Edelkötter vertonte. Sie sind mir eingefallen, als ich das ausgeräumte, stille Klassenzimmer einer Lerngruppe hier in der SMS gesehen habe. Eher untypisch für unsere Schule. Denn während der Unterrichtszeit ist es dort alles andere als still. Es geht hoch her. Nicht nur in den Klassenräumen oder in den Pausen, in der „Freien Stillarbeit“ und bei anderen Gelegenheiten. Ist das schlimm?

„Zeit für Ruhe, Zeit für Stille, Atem holen und nicht hetzen … lass uns auf die Stille hören.“

Wenn Menschen nicht mehr abschalten und sie nicht mehr zur Ruhe kommen können, wird das Leben mühseliger als nötig. Nach wie vor dürfen unsere Lernenden vor Unterrichtsbeginn ihr Handy in der sogenannten „Handygarage“ im Klassenraum „parken“. Diese wird abgeschlossen. Nach dem Schultag bekommen die Schülerinnen und Schüler ihre Mobiltelefone wieder. Permanente Erreichbarkeit rund um die Uhr bei jeder Gelegenheit mag attraktiv erscheinen. Sie ist es aber nicht. Denn „Zeit für Ruhe, Zeit für Stille“ kommt im Alltag oft zu kurz. Mehr noch: Manche können – das ist altersunabhängig – Ruhe und Stille nicht ertragen, wenn und weil „nichts los ist“. Gerade am Anfang der unterrichtsfreien Zeit, in den Sommerferien, sei mir diese Frage gestattet: Muss denn wirklich immer etwas los sein?

„Zeit für Ruhe, Zeit für Stille, Atem holen und nicht hetzen … lass uns auf die Stille hören.“

Mancher gerät sogar in den Ferien in Freizeitstress. Dieses und jenes muss unternommen, gemacht, geschafft und erreicht werden. Entspannung um jeden Preis ist angesagt. Koste es, was es wolle. Schnell ist es damit vorbei in der Schlange vor dem Buffet im Hotel. Man hat ja bezahlt und möchte dafür auch einen entsprechenden Gegenwert haben. Wie alle anderen dort auch. Bei den vielfachen Möglichkeiten zur Gestaltung der Zeit, die ich im Urlaub habe, soll mit minimalem Aufwand der maximale „Erfolg“ erreicht werden: Dieser Ausflug ist wichtig. Jenes Ziel ist „unbedingt“ sehenswert („Wenn wir schon mal da sind …“). Dies oder das muss ich auch noch erlebt haben, um mitreden zu können. Was sollen denn die anderen von mir denken, wenn ich nicht poste, was ich mit anderen wo, wie und wann auch immer unternommen habe im Urlaub?

„Zeit für Ruhe, Zeit für Stille, Atem holen und nicht hetzen … lass uns auf die Stille hören.“

Der leere Klassenraum zeigt mir, dass es „Zeit für Ruhe, Zeit für Stille“ braucht. Nicht nur für die anstehende Grundreinigung in der Schule. Sondern auch für mich persönlich. Ich kann und muss nicht alles machen. Nicht einmal in den Ferien. Darf ich denn nicht mal nichts tun? Sogar schlafen, wenn mir danach ist? Manches kommt anders als gewünscht. Das macht unsicher. Vor Jahrzehnten schon schuf Loriot einen Sketch, der Menschen auch heute noch zum Lachen (und zum Nachdenken) bringen kann – nicht erst in der unterrichtsfreien Zeit: Loriot : Fernseher kaputt (youtube.com)

„Zeit für Ruhe, Zeit für Stille, Atem holen und nicht hetzen … lass uns auf die Stille hören.“

Viele haben in den vor uns liegenden Wochen Urlaub und Freizeit – wann, wie und wo auch immer. Daraus darf ich etwas machen. Für mich und für andere. Manchmal kann weniger mehr sein. Ob ich das nicht ausprobieren könnte in der vor mir liegenden Zeit? Ich denke, das ist nicht nur einen einzigen Versuch wert. Sogar in den Sommerferien oder in meinem Urlaub.

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger