15. Januar 2025

Last perfect man

Last perfect man. Drei Worte, die es in sich haben. Scheinbar apodiktisch stehen sie da. Ist meine Wirklichkeit nicht eine ganz andere?

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Last perfect man

Zu Beginn eines neuen Jahres nehmen sich manche Menschen das eine oder andere vor. Etwas, das sie anders und im besten Fall besser machen wollen als bisher. Wie lange diese ihre Vorsätze beibehalten, steht auf einem anderen Blatt.  Das Streben nach Optimierung oder sogar nach Perfektion lässt sich auch 2025 der oder dem einen nicht absprechen. Bei Lernenden und Lehrenden ist das so. Nur bei ihnen?

Last perfect man

Homer Jay Simpson aus der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ ist alles andere als perfekt. Damit hat er sich arrangiert: Er sehnt sich nach seinem Idealgewicht, das er nicht hat. Übermäßig fleißig ist er nicht. Manchem gegenüber verhält er sich intolerant. Durch besondere Fachkompetenz zeichnet er sich nicht aus. Gedankenlos scheint er öfter zu sein. Vollkommen ist anders. Und jetzt?

Last perfect man

Darf ich diese Aufschrift auf der Schürze eines Schülers der St. Mauritius Sekundarschule nicht mit einem Lächeln betrachten? Jenes Kleidungsstück zeigt deutliche Gebrauchsspuren. Schließlich ist es dessen Zweck, die sich darunter befindenden Anziehsachen vor Verschmutzung zu bewahren. Diese lassen sich bei der „Koch AG“ nicht vermeiden, wenn statt der Theorie praktische Übungen den Unterricht so ganz anders gestalten als sonst im Klassenraum.

Last perfect man

Aus Fehlern kann ich lernen. Nicht nur in einer wie auch immer ausgerichteten Arbeitsgruppe in der Schule macht das Sinn. Nur: Wer macht gern etwas nicht richtig? Andere könnten sich lustig machen über meine Inkompetenz. Ausgelacht werden möchte niemand. Weil sie oder er etwas nicht geschafft hat. Zu akzeptieren und zu respektieren, dass ich nicht alles kann, ist manchmal leichter gesagt als getan. Perfektion in einigen Bereichen liegt weit weg von mir. Meine Stärken liegen woanders. Das passt aber nicht in das Bild, das andere von mir haben sollen. Perfekt zu sein, ist erstrebenswert. Wirklich?

Last perfect man

Nicht nur auf manchen Social-Media-Plattformen wird Vollkommenheit zelebriert. Unterschiedliche Gesichter hat diese. Ob das der Wirklichkeit entspricht, sei dahingestellt. Schließlich gibt es vielfache Möglichkeiten, etwas mittels Fotofilter oder anderer Hilfsmittel so zu „tunen“, dass es dem Auge des unbedarften Betrachters schmeichelt. Dabei bin ich nicht zu jeder Zeit hundertprozentig leistungsfähig. Auf allen Gebieten kann ich nicht stets und immer überragend kompetent sein. Echtheit, Ehrlichkeit und Authentizität halte ich für besser als vorgegaukelten Pseudoperfektionismus. Letzterer ist durchschaubarer, als manche glauben.

Last perfekt, Mann.

Nicht alles ist glatt und rund, sondern hat Ecken und Kanten. Nach und nach zeigt es Gebrauchsspuren und verändert sich mit der Zeit. Nicht nur negativ, sondern sogar positiv. Ob es bei Menschen nicht ähnlich ist? Unsere Fünftklässler sind in den Abschlussklassen anders als noch zu Beginn ihrer Schulzeit. Lehrende entwickeln manche Kompetenzen nicht von heute auf morgen. Tragfähige Erfahrungen gewinnen sie nach ihrer Zeit als Referendare im Lauf der Jahre. 

Last perfect man

Niemand kann alles, aber keine(r) kann nichts. Ich brauche mein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. „Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; Dann leuchtet sie allen im Haus. „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (vgl. in der Bibel im Matthäusevangelium Mt. 5, 15f.) Auch wenn ich alles andere als perfekt bin, darf ich Mensch sein. Mit all dem, was mich von anderen unterscheidet, und mit dem, was mich liebenswert macht. Für mich und für andere.

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger